Publisher's Synopsis
Goethe oder Wagner - diese Alternative markiert die aesthetische Umorientierung Th. Manns in den Jahren 1905-1912. Sie zeitigte eine Distanzierung von Wagner und eine schrittweise Annaeherung an Goethe. Dieser Prozess setzt nach dem Erfolg der Buddenbrooks ein, d.h. nach dem Gewahrwerden von Repraesentanz und konkretisiert sich im Tod in Venedig und seiner Vorgeschichte. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Bedeutung der Goethe-Rezeption fuer Manns epische Praxis: neue Klassizitaet, Mythos, Parodie. Der ironische Grosschriftsteller und seine Leser: Auf dem Hintergrund von Musils Kritik an Thomas Mann wird dessen epische Ironie als das wirkungsvollste Mittel analysiert, einer intellektuell ehrlichen Auseinandersetzung mit den sozialen, politischen und kulturellen Fragen seiner Zeit aus dem Wege zu gehen, aber die Illusion ihrer Loesung hervorzubringen. Im Zauberberg, in den fruehen Aufsaetzen, im Doktor Faustus entwirft Th. Mann Mythen, d.h. Geschichten von Ideen, an denen ihn allein das strukturale Muster interessiert, das er ihnen auflegen kann. Die dabei entstandene Utopie einer Vergangenheit antwortet auf die emotionalen und intellektuellen Beduerfnisse eines Bildungs-Buergertums, das sich seiner oekonomischen und ideologischen Basis beraubt sah und diese Utopie seiner selbst dankbar und glaeubig akzeptierte. Parallel dazu wird gezeigt, wie die generoese Reaktion des marxistischen Kritikers Georg Lukacs auf den grossbuergerlichen Schriftsteller Thomas Mann auf der gleichen Grundlage eines Beduerfnisses nach ideologischem Schutz gegen die Realitaet der Zeit zu verstehen ist.