Publisher's Synopsis
Wie Deutschland nach 1945, so stehen auch andere Gesellschaften, die Diktaturen uberwunden haben, vor der Frage, wie man mit Verbrechen staatlichen Terrors umgehen soll. In der modernen Rechtskultur findet sich die scheinbar klare Antwort: nulla poena sine lege. Doch es muss aus Grunden der Gerechtigkeit Grenzen des Ruckwirkungsverbots geben, nicht zuletzt bei Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die nach 1945 fur die Entlegitimierung der NS-Rechtsordnung wegweisende These, die Gerechtigkeit verlange angesichts gesetzlichen Unrechts nach ubergesetzlichen Normen, geht auf G. Radbruch zuruck. Er verband sie mit der Unterstellung, der Rechtspositivismus habe aufgrund der Trennung von Moral und Recht die Justiz im Dritten Reich wehrlos gemacht. Obwohl das Recht im NS-Regime in einem offen erklarten Antipositivismus grundete, wurde die Positivismuslegende zum Grundungsmythos der westdeutschen Republik. Es schien nur den Weg zuruck zum Naturrecht zu geben - gegen den oft antisemitisch denunzierten Rechtspositivismus. In diesem Buch wird uber historische, politische und juristische Ereignisse seit den Nurnberger Prozessen und uber die Geschichte des Rechtspositivismus berichtet. Pladiert wird fur einen Rechtspositivismus, der Elemente sowohl der Reinen Rechtslehre Hans Kelsens als auch von Gustav Radbruchs Positivismuskritik aufnimmt und zugleich zu beiden Theorien auf Distanz geht: Recht und Gesetz verlangen keinen vom Prinzip Gesetz ist Gesetz diktierten blinden Gehorsam. Normen gerechten Rechts bedurfen keines Ruckgriffs auf das Naturrecht: Sie grunden im positiven Recht der die Menschenwurde-Norm konkretisierenden Menschenrechte.