Publisher's Synopsis
Die Historische Bildkunde beansprucht den Rang einer historischen Grundwissenschaft; sie will nicht in Konkurrenz zur Kunstwissenschaft treten, auf deren Forschungsergebnisse sie mit angewiesen bleibt, sondern sie will interdisziplinare Verrnittlungsarbeit leisten. Um Bilder als Quellen fur historische Fragestellungen zu erschliessen, braucht der Historiker neben seinem ublichen "Handwerkszeug" Spezialkenntnisse: kunsthistorische Informationen und eine Arbeitsmethodik. Beides zu vermitteln und auf eine systematische Erschliessung bildlichen Quellenmaterials fur die historische Forschung hinzuwirken, ist Aufgabe der Historischen Bildkunde. Ihre spezifische Leistung ist die Orientierung an der Perspektive des Historikers, der in den Bildern nach Antworten auf heutige Fragen an die Geschichte sucht. Den Beitrag eines Bildes zur Beantwortung einer geschichtswissenschaftlichen Fragestellung nennt Rainer Wohlfeil den "historischen Dokumentensinn", im Unterschied zu Panofskys "Dokumentsinn". Hinter dieser Begrifflichkeit steht die Abgrenzung der Historischen Bildkunde von der Ikonologie. Entscheidend ist, dass die Ikonologie nach dem Ansatz Panofskys bestrebt ist, dem Kunstwerk in seiner Gesamtheit gerecht zu werden und es als Ganzes, in allen Facetten zu interpretieren. Dagegen gibt die Historische Bildkunde den Anspruch auf, das Kunstwerk in seiner Gesamtheit zu erfassen. Sein Ansatz fur die Arbeit mit Bildern kommt aus der Sozial- und Mentalitatengeschichte. Bilder konnen jenseits von real- oder personenkundlichen Zwecken als historische Quellen genutzt werden. Statuen, Bilder und Bauten konnen propagandistische und ideologische Botschaften verkunden. Sie haben eine Funktion bei der Legitimation von Herrschaft und Sozialdisziplinierung von Untertanen. Auf der anderen Seite spielen Bilder auch eine Rolle bei der Erhebung und Begrundung sozialer, politischer, okonomischer oder religioser Forderungen. Kunstwerke konnen zur Erforschung von Machtstrukturen und sozialen Beziehungen herangezogen werden, sie bereichern damit die Mentalitatengeschichte um interessante Aspekte. Bildliche Quellen konnen auch auf Tendenzen hin untersucht werden, die in der Entstehungszeit der Bilder verbal noch nicht oder nicht mehr thematisiert wurden, die der spatere Wissenschaftler jedoch aufgrund seiner Kenntnisse uber die historische Entwicklung und seiner Methodik moglicherweise erschliessen und in Worte fassen kann.