Publisher's Synopsis
Italien ist fuer den aufklaererischen Diskurs in Deutschland in vielfaeltiger Weise sowohl in den Geistes- als auch in den Naturwissenschaften von Interesse. Die im Laufe des 18. Jahrhunderts in Deutschland sich verstaerkende Diskussion um Kategorien wie Geschmack, Naturnachahmung, Phantasie und Genie verdankt der in Italien frueher einsetzenden aesthetischen Auseinandersetzung um das Barock nicht unwesentliche Denkanstoesse. Insbesondere in der Dramaturgie scheint die Konfrontation mit der italienischen Theatertradition auf deutscher Seite ertragreich gewesen zu sein. Fuer die Italiener ist Deutschland dagegen weniger auf literarischem als vielmehr auf (geschichts-)philosophischem und politisch-institutionellem Gebiet von Interesse. Eine zentrale Rolle nimmt hier Preussen und sein Koenig Friedrich II. ein. Bei italienischen Philosophen und Dichtern loest dieser extrem gegensaetzliche Reaktionen aus. Eine aehnliche zwischen der Alternative Lob und Tadel schwankende Sicht des Andern laesst sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts auch bei den deutschen Italienreisenden feststellen. Bietet vor allem preussisch-protestantisch gepraegten Reisenden das katholische Italien Anlass, die Rueckschrittlichkeit eines feudalistisch-katholischen Landes zu erleben, so wird andern die suedliche Halbinsel zur Verheissung eines in der Heimat verweigerten erfuellten Lebens. Unabhaengig davon, ob die Fremde als Bestaetigung oder Infragestellung des Fortschrittstheorems der Aufklaerung, als Bestaetigung oder Infragestellung des heimatlichen Lebens- und Kulturraums erlebt wird, als Erfahrung der Fremde bewirkt sie stets eine verstaerkte Identifikation, eine Praezisierung der Selbstdefinition. Der Weltbuerger der Aufklaerung wird in der Konfrontation mit dem suedlichen Nachbarland, in der Dialektik von Realitaetserfahrung und Wunschprojektion zum Buerger eines europaeischen Nationalstaates, wie ihn das 19. Jahrhundert kennt.