Publisher's Synopsis
Excerpt from Bewusstes und Unbewusstes im Dichterischen Schaffen: Akademische Rede zur Feier des Jahresfestes der Grossherzoglich Hessischen Ludwigs-Universität am 30. Juni 1906
Aber beide haben recht, die nüchternen Handwerksmeister und der Wunderglaube des Volkes.
Das ist die Wahrheit des Volksglaubens, dass der Dichter nichts weiss von dem Geiste, der in ihm lebt. Die Wurzeln des dichterischen Geistes ruhn in den rätselvollen Tiefen des Unbewussten. Die beiden Goncourt haben nicht unrecht, wenn sie meinen, dassdas Geheimnis der dichterischen Hervorbringung dem Mirakel, dem Mysterium gleiche in der Entstehung eines lebenden Wesens'. Die dichterische Schöpfung, so wird uns von Goethe bezeugt, "steht in Niemandes Gewalt und ist über aller irdischen Macht erhaben. Der gleichen ist dem Dämonischen verwandt, das übermächtig mit ihm tut, wie es beliebt. Bei Hebbel heisst es: Du armer Seiden wurm, du wirst spinnen und wenn auch die ganze Welt aufhörte Seidenzeug zu tragen. Und die Goncourt bekennen' Es ist eine unbekannte Kraft, ein höherer Wille, eine Art von Schreibzwang, die das Werk gebieten und die Feder führen, so dass bisweilen das Buch, das aus euren Händen hervorgeht, nicht euer Werk scheint es erstaunt euch, wie etwas, das in euch war, und von dem ihr kein Bewusstsein hattet. Ein neuer Stoff hat sich Otto Ludwigs bemächtigt wie eine Krankheit. Könnt' ich einen nicht aufs Papier bringen, ich glaube, es kostete mir das Leben. So "strömen des Gesanges Wellen hervor aus nie entdeckten Quellen. Trotzdem mag es uns gelingen, da und dort in die Tiefe zu blicken, zu schauen, wie die verborgene Kraft sich betätigt, wie sie die Stoffe zusammen trägt für ihre wundersamen Gebilde.
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